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Warum Lachen wichtig ist
Ein Gespräch mit Günter schenk,
dem neuen Kulturpreisträger der Deutschen Fastnacht, über die Zukunft des Festes

Das Interview führte Wulf Wager

Günter Schenk heißt der neue Kulturpreisträger der Deutschen Fastnacht. Mit dem nur alle drei Jahre vergebenen Preis werden Persönlichkeiten geehrt, die sich um das Fest besonders verdient gemacht haben. Der Preis ist die höchste kulturelle Auszeichung des Bundes Deutscher Karneval, in dem Millionen Fastnachter organisiert sind. Schenk hat zahlreiche Bücher zur Geschichte der Fastnacht publiziert und närrische Bräuche aus ganz Europa in Fernsehfilmen und Fotoausstellungen dokumentiert. Wir sprachen mit dem Mainzer, Stammautor dieser Zeitschrift, über aktuelle Entwicklungen.


Trangas – halb Mensch halb Ziegenbock.
Zunächst herzlichen Glückwunsch
zu Ihrem Preis. Was bedeutet er für Sie?


Es ist die bundesweite Anerkennung meiner Arbeit, die der Bund Deutscher Karneval mit dem Kulturpreis der Deutschen Fastnacht gewürdigt hat. Darüber freue ich mich natürlich besonders.


Wohin geht die närrische Reise?

Ich gehe von einer Neubelebung des Festes in den nächsten Jahren aus, einem Zurück zu den närrischen Wurzeln: Stadtteilumzüge und Stammtischfastnachten werden verstärkt nachgefragt werden, in Kindergärten und Schulen wird sich neues närrisches Leben regen. Schließlich führt kein anderes Volksfest die Menschen so hautnah zusammen.


Worauf stützen Sie diese Hoffnung?

Die Lust auf Unterhaltung, auf Kommunikation war selten so groß. Das spiegeln nicht nur die sozialen Netzwerke im Internet, sondern auch die vielen Wein-, Schützen- und Oktoberfeste, die kleinen und großen Feiern im Land. Die Leute haben das Bedürfnis nach Gesellschaft, wollen zusammensitzen, ein bisschen feiern. Und genau da liegt in einer globalisierten Gesellschaft auch das Potenzial der Fastnacht. Saal- und Straßenfastnacht bringen die Menschen zusammen, tragen zur Stärkung ihrer Identität bei. Immer mehr suchen an Fastnacht heute eigentlich kein großes Programm mehr, das sie sich auch von den Eintritts- und Konsumationspreisen oft gar nicht mehr leisten können, sondern einfach nur Anschluss an andere. Deshalb ist der Zulauf zu Stammtischvereinen, zu alternativen Fastnachtsformen, zu Hausbällen und anderen Fastnachtsformaten auch so groß.


Regionalisierung als Antwort
auf die Globalisierung?


Ja! Und Rückbesinnung auf die eigene Kultur, auf Dialekt und Mundart. Auf lokale Politik, die immer wichtiger wird, wie zahllose Diskussionen um Bahnhofsneubauten, Industrieansiedlungen und neue Einkaufszentren überall zeigen. Das Bürgertum ist heute ein anderes als früher, das mischt sich offen ein. Davon wird auch die Fastnacht profitieren. Die unverbindlichen Kalauerspäßchen werden immer weniger Interesse finden, die austauschbaren Witzchen, die man von Kiel bis Oberammergau erzählen kann.


Gibt es noch andere Gründe
für die Neubelebung der Fastnacht?


... die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation vor allem. Der Kapitalismus, der nach dem Zusammenbruch des Sozialismus seine schlimmsten Kräfte entfaltet hat, steht sehr, sehr schlecht da. Denn jeder weiß im Grunde: So kann es auf Dauer nicht weitergehen! Politiker stolpern von einer Krise in die nächste, getrieben von den anonymen sogenannten Märkten, denen man die Schuld an der jetzigen Situation zuschiebt. Zurück bleiben ratlose und hilflose Menschen, die nach Orientierung suchen. Doch weil es die nicht gibt, suchen sie vor allem Trost. Menschen, mit denen sie ihre Sorgen und Befürchtungen teilen können. Da kann die Fastnacht helfen! Dem Fest ging es eigentlich immer gut, wenn die Zeiten schlecht waren. Da hat man zwar nicht groß gefeiert, aber dafür mit ganz, ganz viel Herzblut.


Was heißt das für die Fastnachter?

Auf keinen Fall, ihre Veranstaltungen noch weiter zu professionalisieren. Immer mehr Menschen suchen zu Fastnacht nicht die perfekte Show wie bei Events in den großen Konzerthallen, sondern vor allem ein Stück Heimat. Mehr das Wir als das Ich, vor allem aber das Du. Denn Fastnacht ist eine Begegnung der Seelen, der größte deutsche Emotions-Parcours. Die Menschen wollen singen, tanzen, vor allem aber lachen.


Warum ist Lachen so wichtig?

... weil uns das Lachen sonst vergeht. Lachen ist nämlich mehr als lustig sein. Oft ist es die einzige Form zur weiterführenden Kommunikation. Denken Sie nur daran, wie man noch sprachlose Kleinkinder kitzeln und damit zum Lachen bringen kann. In den 1950er-Jahren, so hat die Lachforschung herausgefunden, lachten die Menschen täglich noch 18 Minuten – heute gerade einmal sechs. Je besser es uns wirtschaftlich geht, so scheint es, desto weniger wird gelacht. Für die närrische Werterneuerung kommen Krisen also nicht ungelegen. Wer weiß, ob uns sonst das Lachen vielleicht ganz vergangen wäre!


Gibt es weitere Hoffnungszeichen?

Die Frauen sind auf dem närrischen Vormarsch. Genau betrachtet sind sie ja die eigentlichen Fastnachter. Nicht nur, dass sie häufiger als Männer lachen, auch Schminken, Verkleiden, Tanzen, was ja die Fastnacht entscheidend mit ausmacht, liegen ihnen viel, viel mehr als Männern. Das belegen seriöse wissenschaftliche Studien und Meinungsumfragen. Und je mehr Frauen sich in den Vereinen engagieren, umso lebendiger wird das Fest.


Was wünschen Sie sich für die Fastnacht?

Dass sich die Menschen ihres Stellenwertes im Leben bewusster werden. Fastnacht endet am Aschermittwoch. Dann ist Schluss mit der Narretei! Wer das ganze Jahr Fastnacht feiert, verliert die Bodenhaftung. Und noch etwas ist wichtig: Freude und Leid haben in dem Fest ihren Platz. Fastnacht ist eben eine über Jahrhunderte gewachsene Feier, die sich die Menschen selbst gegeben haben und die ihnen nicht aus welchen Gründen auch immer gegeben worden ist.

Danke für das Gespräch.


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