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Manfred Merz, Villingen
Peter Haller Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft vervollkommnete Manfred Merz in der väterlichen Werkstatt seine Fertigkeiten in der sakralen und profanen Kunst. Zu jener Zeit kam er auch erstmals so richtig mit der Villinger Fasnet in Berührung. Noch bevor er einen Wintermantel sein Eigen nennen konnte, hatte er jeden Pfennig für seinen sehnlichsten Wunsch, ein Narro-Häs, zusammengespart: "Da war ich ein verrückter Kerl", erinnert sich Merz schmunzelnd. Damals, 1948, lieh er sich eine alte Maske und ging erstmals ins Häs. Kurz darauf schnitzte er seine erste eigene Maske. Dies war der Grundstein für eine große Karriere als Maskenschnitzer, denn in der Folge erweiterte er das Schaffensgebiet seines Vaters, indem er sich sich zunehmend auf das Schnitzen von Villinger Masken (dort "Schemen" bzw. "Schemmen" genannt) verlegte, wo er heute in eine Reihe mit den großen Schnitzern vergangener Jahrhunderte gestellt wird. Die Villinger Maskentypen sind zwar festgelegt und bieten auf den ersten Blick eher wenig Raum für Variationen. Doch dieser Eindruck täuscht. Ein Kenner wie Manfred Merz vermag selbst in den glatten Narroschemen die Handschriften und Formensprache der alten Meister zu sehen, allen voran der legendäre Ölmüller Dominikus Ackermann (1779 - 1836), den sich Merz zum künstlerischen Vorbild genommen hat und mit dem er heute oft in einem Atemzug genannt wird. Noch weit mehr Gestaltungsmöglichkeiten als die vornehm-aristokratisch wirkenden Narroschemen bieten allerdings die "Murbili"- und "Surhebel"-Schemen. "Da steckt viel Individualität drin", so Merz, denn bei Letzteren handelt es sich Gerade bei diesen beiden Schementypen mit ihren vielgestaltigen Formen kann Merz' kreative Gestaltungsfreude voll zur Geltung kommen. Neben diesen überkommenen Schemen kreierte Merz 1949 erstmals eine neue anmutige Frauenscheme für die historische Altvillingerin mit Radhaube, die Begleiterin des Narros, die bis dahin eine billige und ausdruckslose Wachs- oder Pappmaschémaske trug, welche nach der Fasnacht meist aufgeweicht und nicht mehr zu tragen war. Neben den Villinger Schemen schnitzte Merz früher auch für die Zünfte in Triberg, Donaueschingen und Stetten am kalten Markt. Merz versteht es, den Schemen Leben einzuhauchen, sie bestechen durch Ausdruckskraft, jede ist anders, ein Unikat, doch eines ist allen gemeinsam: die heitere Art. Und bei aller Bewunderung für den "Ölmüller" vernachlässigt er nie seinen eigenen Stil, und man merkt, dass hier einer am Werk ist, der die Fasnet liebt. Welch persönliches Verhältnis er zu seinen Schemen hat, zeigt auch die Tatsache, dass er jede Scheme, die irgendwann seine Werkstatt verlassen hat, auf Anhieb erkennt. Villinger Schemen sind Sprechmasken, und nur sehr dünne Schemen mit resonierender Wandung verändern die Stimme so, dass die Anonymität beim "Strählen" gewahrt bleibt. "Strählen" nennt man in Villingen den Dialog des Narro mit seinem Gegenüber, dem dieser in humorvoll-spöttischer Weise den Spiegel vorhält oder die Leviten liest. "Man muss mit einer Scheme strählen können, sonst taugt sie nichts", lautet daher ein wichtiger Qualitätsmaßstab von Manfred Merz. Nachdenklich blickt Merz, der sich der Villinger Fasnetstradition zutiefst verpflichtet fühlt, daher auf die immer größer werdende Zahl von Hästrägern, die schließlich alle mit Schemen versorgt sein wollen. "Quantität ist nicht Qualität. Noch in den 60er Jahren waren bei den Umzügen mindestens 15 bis 20 echte "Ölmüller" dabei, heute leider kein einziger mehr." Schemen, die andere Schnitzer oder auch Amateure von Hand fertigen und die nicht unbedingt seinen eigenen Qualitätsmaßstäben entsprechen, sind für den engagierten Wächter des Brauchtums nicht das entscheidende Problem. "Schwache Schemen gab es auch früher schon, selbst von großen Schnitzern". Doch kopiergefräste, also anhand eines handgefertigten Originals nachgemachte "seelenlose" Schemen, die in großen Stückzahlen auf den Markt geworfen werden, seien nicht zu akzeptieren, da damit das geistige und künstlerische Eigentum des Herstellers des Originals schamlos gestohlen werde und dies das Ende eines jahrhundertealten Brauchtums bedeute, denn "jedes Stück muss ein Original sein, das den Respekt vor unserer Fasnet ausdrückt", so lautet Merz' Wahlspruch seit nunmehr über 50 Jahren. Und wenn Merz mal "kopiert", dann nur mit den Augen; er überträgt frei das Beste aus verschiedenen Vorlagen und kreiert daraus ein neues Original. Seit 1948 gehört Manfred Merz der Historischen Narrozunft Villingen an und war maßgeblich an der Entstehung des seit 1950 durchgeführten Narro- und Mäschgerle-Abends beteiligt. Ab 1954 war er 44 Jahre lang Ratsherr der Narro-Zunft mit wechselnden Funktionen und hat auch heute noch als Ehrenratsherr und einer der besten Kenner der Villinger Fasnet bei vielen Entscheidungen ein gewichtiges Wort mitzureden. Merz erkannte schon früh, wie wertvoll die alten Villinger Schemen sind, welche Verpflichtung daraus erwächst. So widmete er sich neben seiner Arbeit zunehmend der kunstgeschichtlich-vergleichenden Forschung. Der Stilvergleich alter Schemen mit signierten und datierten Werken der Sakralkunst erlaubte die Zuweisung alter Schemen zu bestimmten Bildhauern. Dicke Aktenordner und eine riesige Zahl selbst aufgenommener Fotos dokumentieren nachdrücklich und sichtbar zugleich die immense, akribische Arbeit, die er auf diesem Gebiet geleistet hat. Aber sein Interesse gilt nicht nur den Schemen, auch mit der Häsmalerei, den Trachtenhauben und dem Rollengießen sowie einer Vielzahl weiterer fasnächtlicher Aspekte setzt er sich intensiv auseinander. So ist es nicht verwunderlich, dass profunde Kenner der schwäbisch-alemannischen Fasnet, Brauchtumsforscher und Kunsthistoriker gerne bei ihm einkehren und er immer wieder zu Vortragsveranstaltungen eingeladen wird. Merz-Schemen sind nicht nur bei den Villingern begehrt, sie finden Beachtung und Bewunderung weit über die Region hinaus und sind sogar im Ausland, so beispielsweise im "Musée International du Carnaval et du Masque" in Binche (Belgien), anzutreffen. Neue Aufträge kann Manfred Merz heute nicht mehr annehmen, obwohl viele gerne eine "Merze-Scheme" haben wollen. Gesundheitliche Gründe zwingen ihn dazu, kurz zu treten. Er ist immer noch dabei, alte Aufträge abzuarbeiten, und stellt heute nur noch 4 - 5 Schemen pro Jahr her, die deutlich über 1000 Euro pro Stück kosten. Veröffentlicht in "Narri-Narro" 2/2002 |
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