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Wie die Fasnacht mich und ich sie fand!

Nach der Fasnacht kann man in unseren Breitengraden lange und vergeblich suchen. Vor allem Prinz Karneval hat nach dem Fall der Mauer wieder seine närrische Hand gen Osten ausgestreckt. Und so feiert man allerorts Fasching und Karneval, und dies nicht nur in den wenigen ostdeutschen Karnevalshochburgen, die einst die "sozialistische Revolution" überdauert haben.

Bei uns, am Rande des Harzes, gab es Relikte alten Brauchtums noch vor neunzig Jahren: so wuschen Jungen ihren Mädchen die Füße mit Branntwein,  in vielen Straßen ging der Arftenbär um und es gab die häusliche Prilleckenvisite, womit  Schmalzgebäck gemeint ist. Von alledem ist heute nichts mehr übrig. Allein die Walpurgisnacht wird um und auf dem Brocken heftig gefeiert, aber auch erst, seit dem wieder jeder auf den Blocksberg wandern darf.  Die hat mit der Fasnacht jedoch nichts zu tun.

Tja, mit Fasching hatte ich nie was am Hut. Sich als Pirat verkleiden und Helau rufen?  Da werden allenfalls Erinnerungen an die Zeit im Kindergarten wach und an die Besuche bei der Oma, wenn der Kölner Rosenmontagszug bei der ARD lief. Oh Mann, war das langweilig. Als Zwölfjähriger (Mitte der 70er Jahre) wollte ich einen Western sehen und nicht Alaaf vom Rhein hören. So blieb es bis Mitte der neunziger Jahre, als sich in meinem Unterbewußtsein dann erstmals dunkle Erinnerungen regten, die zwar mit der fünften Jahreszeit, aber eben nicht mit dem gewöhnlichen Karneval  zu tun hatten. Irgend etwas hatte ich doch bei Oma damals gesehen, vermummte Gestalten, die lärmend durch die Straßen ziehen? Doch wo sollte das sein? - eine schwere Frage, die einige Zeit ohne Antwort blieb. Rottweil, fiel dann mal irgendwann im Kollegenkreis aus heiterem Himmel als Schlagwort. "Da laufen 'se rum mit Holzmaske und großen Schellen am Körper." Warum also nicht mal im Reisebüro fragen? Dort gab es aber keine näheren Infos und so zog wieder ein Jahr vorbei, denn einfach so auf blauen Dunst ins Auto steigen und 800 Kilometer abreißen, wollte ich auch nicht.

Die fünfte Jahreszeit 1997 rückte heran und da kam von einer Kollegin dann doch der entscheidende Tipp: "Musst mal sonntags bei Südwestfernsehen reinschauen, die übertragen da solche Umzüge, glaube ich." Schnell in der Fernsehzeitung nachgeschaut, aber dort stand lediglich etwas von einem Landschaftstreffen in Laufenburg. Na, man kann ja mal gucken, dachte ich mir. Die folgenden zwei, drei Stunden werde ich nie vergessen. Das war es, was ich sehen wollte, was mich über die Jahre beschäftigt hat. Nun erfuhr ich immerhin schon mal etwas über das Verbreitungsgebiet der Fasnacht und seit Laufenburg beschäftigt mich diese schwäbisch-alemannische Fasnacht, lässt mich einfach nicht mehr los. Von ihr geht eine Faszination aus, die ich nur schwer in Worte fassen kann. Zum einen ist da die mitunter lange Tradition in den heimeligen Städten, zum anderen entsteht vor meinem Auge stets das Bild, dass diese Fasnacht vor einhundert, zweihundert Jahren vielleicht genau so ablief. Einverstanden, es war ein Narrentreffen welches mich so begeisterte und nicht die eigentliche Fasnacht. Aber ich bekam einen Eindruck von dem, was im Südwesten so abläuft. Als dann 1999 Sonja Schrecklein bei der Übertragung aus Gengenbach darüber sprach, dass 2000 in Wangen das große Treffen mit allen Zünften der VSAN stattfinden werde, stand mein Entschluss sofort fest. Da fahre ich hin. Meine Frau schaute nur komisch. Und Wangen war das Erlebnis schlechthin für mich. Mittlerweile kannte ich die meisten Narrenfiguren, und so genoss ich das Brauchtum mit all seinen Facetten über mehrere Tage im malerischen Wangen. Und so wird es die nächsten Jahre weitergehen. Ich werde Narrentreffen im Südwesten besuchen, mich an dem Mummenschanz, den schönen Masken, Häsern und Bräuchen erfreuen, um dann jedesmal festzustellen, dass ich, als Narr ohne Heimat, doch nur ein wenig an der Fasnets-Oberfläche kratzen, mal reinschnuppern kann. Leider! 

Hardy Gertz (Sachsen-Anhalt) (2002)

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