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Die Villinger Fasnet

Seit Generationen wird die Villinger Fastnacht gemäß alter Tradition gepflegt. Ein erster Beleg findet sich in Schriftstücken aus dem Jahre 1467, später wird die Fasnet in Ratsprotokollen erwähnt.
Berühmt ist Villingen für die Kunst des an barocke Vorbilder anknüpfenden Maskenschnitzens – der Bestand an wertvollen Masken, in Villingen "Schemen" genannt,  ist in der schwäbisch–alemannischen Fasnet unübertroffen.

Ablauf
Wie in anderen Hochburgen der schwäbisch-Suribelalemannischen Fastnacht beginnt auch in Villingen die närrische Zeit am 6. Januar. Die Schemen werden in der guten Stube aufgehängt, der Narrobrunnen wird geschmückt.

Schon Wochen vor der Fastnacht werden von den Kindern und Jugendlichen die Narrorollen (Gschell) auf den Straßen "geschüttelt". Außerdem finden Hausbälle und Kappenabende statt.

Am Schmotzige Dunnschtig ziehen die Kinder und Jugendlichen verkleidet durch die Stadt. Im Kinderumzug wetteifern die Schulklassen um die kreativsten Kostüme. Vorneweg laufen die kleinen Narros als "Narrosome". Dieser Tag gehört der Jugend.

Am Nachmittag des Fasnetsunntig wird der "Kater Miau" mit Hilfe der Katzenmusik und dem Verein der Rietvögel aus dem Romäusturm befreit. Die Repräsentanten der Narrozunft machen sich um 18 Uhr auf vors Rathaus, um dort den Schlüssel und mit ihm die Amtsgewalt abzuholen. Anschließend suchen die Glonkis die Fasnet und finden sie am Bickentor. Der karnevaleske Einfluß ist auffallend.

Früh bei Tagesanbruch des Fasnetmentig zieht die Katzenmusik durch die Stadt und kündet lautstark vom Beginn der Fasnet. Um neun Uhr beginnt dann der Historische Umzug der Narros, Stachis, Altvillingerinnen, Murbile, Butzesel und Wuescht. Die Aufgabe des Narro ist das Strählen, eine Rügeform, bei dem die Mitmenschen in humorvoller Art an ihre "Verfehlungen" erinnert werden. Bis Aschermittwoch bekommen so viele ihr Fett ab.

Beim großen Umzug am Fasnetzieschtig bietet sich dann den angereisten Menschenmengen ein imposantes Bild, wenn die historischen Villinger Figuren nochmals durch die Stadt ziehen. Ihnen folgen andere Vereine, Musikkapellen und Karnevalsgruppen.

Um Mitternacht, wenn die Zunft schweren Herzens den Stadtschlüssel zurückgibt, ziehen die Wuescht alles Stroh aus ihren Hosen und Jacken. Damit wird ein großes Feuer entfacht, und alle stehen traurigen Herzens drum herum.

FigurenNAltvillingerinarro: Ein der barocken Kirchenkunst entsprungenes Engelsgesicht mit tiefgründigem und überlegenem Lächeln trägt der Narro, die wichtigste Figur der Villinger Fasnet, als Scheme. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde er als "Masquera" bezeichnet. Auch heute noch wird für die historischen Fasnetsfiguren das Wort "Maschgere" im Villinger Dialekt verwendet. Sein weißes Häs ist mit Figuren, Tieren und Blumen bemalt, deren Bedeutung nach wie vor umstritten ist, die die Volkskunde heute allerdings als Symbole menschlicher Laster und heraldische Motive interpretiert. Vier Riemen mit ca. vierzig Pfund schweren Rollen trägt der Narro über seinen Schultern gekreuzt. Auch der gestärkte Narrokragen (barocke Halskrause), die Masch (bunte, geknotete Halsschleife aus Seide), das Foulard (Seidentuch), ein Fuchsschwanz an der Kappe und ein Holzsäbel dürfen nicht fehlen. Beim "Strählen" spricht der Narro den unvermummten Mitbürger (den "Gestrählten") auf der Straße oder im Gasthaus an und kann diesem hinter der Scheme ohne Rücksicht auf die soziale Stellung des Angesprochenen unverhohlen und geradeheraus die Meinung sagen, ihn rügen, ihn mit der Kenntnis der einen oder anderen Begebenheit überraschen oder einfach Unsinn reden.

NarroAltvillingerin: Als erste Frauenfigur drang die Altvillingerin in die Vorherrschaft der Männer in der Fasnacht ein. Ursprünglich stammt ihre Kleidung (Tracht) aus der Zeit, als Villingen noch zum habsburgischen Österreich gehörte, dem frühen 19. Jahrhundert. Auffallend an dieser Figur ist ihre goldene Radhaube. Ein Ende des 19. Jahrhunderts aufgenommenes Foto zeigt die Altvillingerin mit Wachsmaske, die ab den 1930er Jahren dann durch eine Holzscheme mit jugendlich-lächelndem Ausdruck ersetzt wurde. Allerdings geht die Mehrzahl der Altvillingerinnen, die als Begleiterin des Narro auftritt, heute unverlarvt an die Öffentlichkeit, wodurch leider die Anonymität verloren geht. 

Stachi: Er trägt die gleiche Hose wie der Narro, den Kragen und einen Fuchsschwanz. Statt der schweren Narrorollen hat er lediglich ein blaues Fuhrmannshemd an. In den Händen hält er eine Streckschere, einen Staubwedel, eine Bürste oder ähnliche närrische Utensilien. Vor dem Gesicht trägt er eine Suribelscheme (auch: Surhebel), die ursprünglich wohl des öfteren eine Porträtscheme war und dazu diente, Villinger Bürger zu karikieren. Früher hatten diese Schemen vorwiegend einen griesgrämigen oder drohend-dämonischen Gesichtsausdruck, dem der berühmte Villinger Schemenschnitzer Manfred Merz im 20. Jahrhundert den nicht weniger ausdrucksvollen pfiffig-schelmischen, allefänzigen oder spöttischen Suribel mit versöhnlichen, manchmal fast gütigen Zügen zur Seite stellte. Diese Scheme wird gelegentlich auch anstelle der Narroscheme zum Weißnarrenhäs mit Rollen getragen.Murbile

Murbile
: Sie ist eine runzelige, verschmitzte Alte und trägt eine Tracht mit Rüschenhaube, Halsschleife und Schal und entstand als zweite Frauenfigur in den 1920er Jahren.  Wie auch die Altvillingerin verteilt sie "Schnupfede" (Süßigkeiten), um die Opfer des "Strählens" zu entschädigen. Sie begleitet sowohl Stachi als auch Narro.

Butzesel: Mit wilden Sprüngen reitet der Butzesel auf einem Ast durch die Stadt. Er wird von "Trieber" (Stachis mit Geißeln) mit lautem Peitschenknallen durch die Stadt getrieben. Gelingt es dem Butzesel in ein Gasthaus zu entwischen, müssen die "Trieber" die Zeche bezahlen. Diese altüberlieferte Figur trägt ein Blätzlehäs mit übergroßem Eselskopf.

Wuescht: Dick mit Stroh ausgestopft ist das abgetragene Narrohäs des Wuescht. Die Kinder können ihn mit Schneebällen und Tannenzapfen bewerfen. Und der Wuescht bietet ihnen willig eine Zielscheibe: Auf dem Rücken trägt er ein Brett mit einer "Lumpendogge" (Stoffpuppe) oder ähnlichem. Die vom Wuescht gesungenen Lumpenliedle sind nicht gerade für zartbesaitete Ohren, können sogar als "wüscht" bezeichnet werden.


(Dieser Text wurde freundlicherweise von der „Arbeitsgemeinschaft Villinger Fasnet”
zur Veröffentlichung überlassen; 2000; ergänzt 3/2006)
Weitere Infos: Homepage der Hist. Narrozunft Villingen

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