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Jahrmarkt der Eitelkeit

Hören Sie auf, bevor Sie anfangen! Wer über die Fasnacht schreibt, ist selbst schuld, und wer das Gesudel dann noch liest erst recht. Denn, so dürfen wir das Wort von Sepp Herberger fortspinnen: Fasnacht ist dann Fasnacht, wenn man fasnachtet. Ganz einfach. Vom Studieren, Schreiben und Kommentieren sind noch wenige schlau und ganz wenige närrisch geworden. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Gelehrter in die Bütt.

Sollte man meinen. Doch der Trend rennt schnapsnasig in eine andere Richtung. Selten wurde über die Fasnacht derart viel theoretisiert und analysiert. Brauchtumsforscher pressen staubigen Dokumenten das Letzte ab. Und wenn eine Zunft etwas auf sich hält, dann fliegt sie den Volkskundler Werner Mezger ein - der gebürtige Rottweiler erklärt dem närrischen Kollektiv, weshalb es feiert, was es feiert und warum Fasnacht (Mezger sagt: Fasnet) eben Fasnacht ist.

Freilich, die Eigenbrötelei war der fünften Jahreszeit schon immer eigen. Zum Beispiel im Bereich der Sprache, der heimeligen "Muettersproch" also. Wer falsch lallt, wird prompt als Auswärtiger entlarvt. Ob die Verkleidung als Häs oder Gwand oder Mäschgerle bezeichnet wird, ist nun nicht einerlei, aber gerade noch verzeihbar. Der Spaß hört aber dann auf, wenn man die schwäbisch-alemannische Fasnacht nun Karneval oder - verschärfter Unsinn - Fasching nennt. Da hilft auch die Anrufung sämtlicher ungeschriebener Narrenfreiheiten nichts, der Versprecher wird geahndet ohne Gnade, und das ist gut so: Die fünfte Jahreszeit als eines der letzten Refugien des schwächelnden Dialekts, als Schutz und Trutz des alemannischen Wesens, als wertvolles Ökotop für Traditionen oder dessen, was man dafür hält.

Gefahr droht also nicht vom Hirn, sondern von der Hemdbrust. Aus miserabel informierten Kreisen weiß man, daß manche Obernarren ihre Orden gar nicht mehr unterbringen auf dem gestärkten Latz. Macht nix, möchte man einwenden, doch den derart Dekorierten ist das arg, soll man doch jedes ihrer Blechle und jeden Bändel dermaßen gut sehen. Nun steht Eitelkeit dem Narren gut, ist er doch nach Professor Mezger ein Sinnbild derselben. Aber der Ordensrummel geht dann doch zu weit. Außerdem beschwert er die gute Laune der Inhaber. Gramgebeugt und von billigem Stanzblech beschwert, tragen sie die Leistungsnachweise der närrischen Aktivität auf. Zuviel des tierischen Ernstes!

Das Unglück rundet sich zum Unheil, wenn Sterne und Medaillen auf frisch gebügelten Hemden weiden. Und es kommt noch dicker: Saubere Fingernägel hat der Ordensnarr auch noch, dazu reizendes Rasierwasser und glänzendes Schuhwerk! Traurig wenden wir uns ab. Das waren noch Zeiten, als Narren ihren Reichtum nicht am Umfang ihres Kleiderschranks maßen, als Armut wenigstens einmal im Jahr adelte und der Andrang nach Tropfbier immens war. Das Wort Design war damals noch unbekannt und die Designer-Fasnacht à la Rio de Janeiro unbezahlbar.

Deshalb ein preiswerter Tip ohne Trend für die kommenden verkehrten Tage: Man nehme abgetragenes Häs, eine löchrige Perücke und eine alte Larve. Einen Orden haben Sie damit so gut wie sicher. In der Tasche!

Uli Fricker, aus dem "Südkurier" vom 19.2.1998

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